Affenpocken: WHO mit Empfehlung zu Sexualverhalten

Angesichts steigender Affenpocken-Fälle gibt die WHO Empfehlungen hinsichtlich des Sexualverhaltens. Im Mittelpunkt stehen homosexuelle Männer.

Positiver Affenpocken-Test
Immer mehr Affenpocken-Fälle weltweit Foto: iStock/angelp

WHO warnt eindringlich vor Affenpocken-Ausbreitung

Vor nicht einmal einer Woche hatte die WHO den aktuellen Affenpocken-Ausbruch als gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite eingestuft. Jetzt gibt die Weltgesundheitsorganisation Empfehlungen zum Sexualverhalten ab.

Affenpocken-Fallzahlen steigen

Während Ende Juni noch rund 5.000 Fälle der im Englischen als Monkeypox bezeichneten Viruserkrankung weltweit verzeichnet wurden, zählt die WHO aktuell mehr als 19.000 Affenpocken-Nachweise in 75 Ländern (Stand 28. Juli).

Angesichts dieses Anstiegs formulierte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus eindringliche Warnungen. Wieder bezog er sich dabei fast ausschließlich auf homosexuelle Männer. Laut Ghebreyesus betreffen 98 Prozent aller verzeichneten Affenpocken-Fälle Männer aus der Gay-Community.

Männer sollen Sexualkontakte reduzieren

"Für Männer, die Sex mit Männern haben, bedeutet dies, dass sie vorerst die Zahl ihrer Sexualpartner reduzieren, den Sex mit neuen Partnern überdenken und mit jedem neuen Partner ihre Kontaktdaten austauschen sollten, um sie bei Bedarf kontaktieren zu können", sagte Ghebreyesus laut "dpa" am Dienstag in Genf.

WHO: Allgemeine Affenpocken-Warnungen

Die Tatsache, dass vor allem homosexuelle Männer mit einem erhöhten Affenpocken-Risiko in Verbindung gebracht werden, sorgt immer wieder für Empörung. Schließlich ist die Viruskrankheit durch sehr engen Körperkontakt übertragbar – und der betrifft nicht nur schwule Männer.

Das betonte auch Tedros Adhanom Ghebreyesus in Genf. "Neben der Übertragung durch Sexualkontakte können Affenpocken auch in Haushalten durch engen Kontakt zwischen Menschen übertragen werden, etwa durch Umarmungen und Küsse, sowie über kontaminierte Handtücher oder Bettwäsche", so der WHO-Chef.

STIKO empfiehlt Affenpocken-Impfung für Risikogruppen

Die ständige Impfkommission (STIKO) spricht sich für eine offizielle Empfehlung aus, Risikogruppen gegen Affenpocken zu impfen. Das teilte die Kommission am Dienstag (09.06.) in Berlin mit. Davon betroffen sind:

  • Menschen, die im engen, körperlichen Kontakt zu Infizierten standen

  • Personen in Laboren, die ungeschützten Kontakt zu Proben haben

  • Homosexuelle Männer mit wechselnden Partnern.

Alle 113 bisher gemeldeten Affenpocken-Fälle in Deutschland traten laut Behörden-Angaben bei homosexuellen Männern auf.

Bei der Empfehlung handelt es sich bisher nur um ein Beschlussentwurf. Dieser muss noch in einem sogenannten Stellungnahmeverfahren von den Bundesländern und Fachkreisen bestätigt werden.

Affenpocken-Impfung: Welcher Impfstoff?

Empfohlen wird hier für Risikopersonen über 18 Jahren der in der EU zugelassene Impfstoff "Imvanex". Da der Pockenimpfstoff zunächst nur eingeschränkt zur Verfügung steht, wird er aktuell nur für sehr gefährdete Menschen empfohlen. Die Grundimmunisierung erfolgt durch zwei Impfstoffdosen mit einem Abstand von 28 Tagen. Wer bereits in der Vergangenheit gegen Pocken geimpft wurde, benötigt nur eine Dosis.

Affenpocken: Ansteckungsrisiko auf Festivals erhöht

Der WHO-Regionaldirektor für Europa, Hans Henri Kluge, spricht eine deutliche Warnung aus: Festivals und Partys im Sommer könnten die Ausbreitung der Affenpocken in Europa vorantreiben.

Die Affenpocken werden via Schmier- und Tröpfcheninfektion, aber auch über sexuellen Kontakt übertragen. Die Krankheit hat also überall dort Chancen, wo Menschen in sehr engen Kontakt miteinander kommen. Mit Blick auf die anstehende Festival- und Party-Saison betont Hans Henri Kluge in einer Erklärung an die Presse: "Das Potenzial für eine weitere Übertragung in Europa und anderswo im Sommer ist hoch."

Der WHO-Regionaldirektor für Europa sieht in der kommenden Festival-Saison allerdings auch die Chance, junge und sexuell aktive Menschen über die Affenpocken und mögliche Schutzmaßnahmen aufzuklären.

Affenpocken inmitten der Corona-Pandemie

Laut Kluge habe der Affenpocken-Ausbruch in Europa bereits Mitte April seinen Anfang genommen. Die Lockerungen der Corona-Maßnahmen hätten die Ausbreitung begünstigt.

Der aktuelle Affenpocken-Ausbruch ist der größte und geografisch am weitesten verbreitete, über den jemals außerhalb der Endemie-Gebiete in West- und Zentralafrika berichtet worden sei. Trotzdem betonte Kluge, dass so umfassende Maßnahmen auf Bevölkerungsebene wie bei Corona wohl nicht nötig werden.

Affenpocken: Isolation und Impfung in Deutschland

In Deutschland wurden im Mai erste Affenpocken-Infektionen nachgewiesen. Am Montag teilte das RKI mit, dass inzwischen 33 Affenpockenfälle in sechs Bundesländern (Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt) bekannt seien.

Zuletzt befand sich außerdem ein 32 Jahre alter Mann in der Bernhard-Nocht-Klinik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) wegen Affenpocken in Behandlung. Stefan Schmiedel, Oberarzt der Infektiologie, sagte der "dpa" am Dienstag, dass der Patient vermutlich in Kürze in häusliche Isolation entlassen werden könne. Das Infektionsgeschehen in Deutschland betrachte er als Einzelfälle mit engen, oft sexuellen Kontakten. "Bei normalen sozialen Kontakten wurde bisher keine Übertragung nachgewiesen", betonte Schmiedel.

Die Zahl der Affenpocken-Fälle in Deutschland nimmt weiter zu. Nach Berlin und Bayern sind nun auch Fälle in Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg aufgetaucht. Zuvor waren in Großbritannien, Spanien, Portugal, Italien, Schweden, Belgien und den USA Fälle gemeldet worden. Während ein Land bereits eine Isolationspflicht eingeführt hat, verkünden Gesundheitsminister Lauterbach und Lothar H. Wieler vom Robert Koch-Institut (RKI) eine Isolationsempfehlung.

Auf einer Pressekonferenz zur Ausbreitung der Affenpocken haben Karl Lauterbach und Lothar Wieler über eine dringende Empfehlung zu einer 21-tätigen Isolation für Infizierte informiert. Zudem fordern sie Kontaktpersonen auf, sich ebenfalls für 21 Tage zu isolieren, um die Ausbreitung der Affenpocken in Deutschland einzudämmen.

Für gefährdete Personen könnte es zudem eine Impfempfehlung geben. Lauterbach steht bereits in Kontakt mit Impfstoff-Herstellern. Eine flächendeckende Impfpflicht wird es aber wohl nicht geben, da das Bundesgesundheitsministerium mit einem begrenzten Ausbruch rechnet. Wie der Gesundheitsminister auf der Pressekonferenz erklärte, sei das, was man aktuell mit den Affenpocken erlebe, „nicht der Beginn einer neuen Pandemie“. Es handele sich um einen bekannten Erreger, und man wisse, wie man ihn bekämpfen könne.

Stiko warnt vor immer mehr Affenpocken-Fällen in Deutschland

Der Virologe Thomas Mertens, Vorsitzender der Ständigen Impfkommission (Stiko), warnt unterdessen, dass es bereits eine Vielzahl von unbekannten Affenpocken-Fällen in Deutschland geben könnte. In einem Interview mit dem Südwestrundfunk sagte er, er gehe davon aus, dass sich schon etliche Menschen in Deutschland über enge Kontakte infiziert haben. Und dass man in der nächsten Zeit weitere Fälle identifizieren werde.

Eine neue Pandemie oder Endemie hält Mertens jedoch ebenfalls für unwahrscheinlich: „Ich glaube, kein Fachmann nimmt an, dass man mit diesem Virus eine ähnliche Situation erleben wird wie mit Corona.“ Etwa 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung seien früher gegen die Pocken geimpft worden, was auch gegen dieses Affenpockenvirus wirksam sei. Außerdem erfordere der Übertragungsweg bei den Affenpocken einen wesentlich engeren Kontakt.

Impfstoff-Verteilung gegen Affenpocken in den USA

Die USA sind schon einen Schritt weiter: Dort steht die Ausgabe des Impfstoffs Jynneos der Firma Bavarian Nordic gegen die Affenpocken kurz bevor. Er soll engen Kontaktpersonen, Mitarbeitern im Gesundheitsdienst sowie besonders gefährdeten Personen verabreicht werden. Massenimpfungen sind aber auch dort nicht geplant. Die USA melden derzeit einen bestätigten Fall und vier Verdachtsfälle von Affenpocken. Bei dem bestätigten Fall handelt es sich laut der amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC um einen Bewohner aus dem Bundesstaat Massachusetts im Nordosten des Landes, der kürzlich nach Kanada gereist sei.

Belgien führt 21-tägige Isolation ein

Belgien hat ebenfalls bereits mehrere Affenpocken-Fälle bestätigt. Man nimmt an, dass diese Häufung mit dem Darkland-Festival, einem Fetisch-Festival, Anfang Mai in Verbindung steht und es weitere Fälle geben wird. Anders als Deutschland hat das Land nun eine Isolationspflicht von 21 Tagen eingeführt. Diese lange Zeit erklärt sich übrigens dadurch, dass das Virus eine Inkubationszeit zwischen 5 und 21 Tagen hat.

Affenpocken breiten sich in Europa weiter aus

In Großbritannien werden täglich neue Fälle gemeldet. Mindestens 20 Fälle sind seit Freitag nachgewiesen. Die britische Gesundheitsbehörde UKHSA empfiehlt daher eine 3-wöchige Quarantäne für Kontaktpersonen sowie eine Pockenimpfung.

Auch aus Portugal werden über 20 positive Fälle gemeldet, Spanien verzeichnet mindestens 8 Affenpocken-Infizierte, in Italien wurde 1 Fall nachgewiesen. Und die Zahlen dürften noch steigen.

Affenpocken-Ausbreitung in Westeuropa blieb zunächst unbemerkt

Man geht – Stand jetzt – davon aus, dass sich die Affenpocken-Erreger bereits seit längerer Zeit unbemerkt in mehreren westlichen Ländern ausgebreitet habe. Auch deutsche Ärzt:innen sollen für das Thema sensibilisiert werden.

Affenpocken-Gefahr: RKI sensibilisiert deutsche Ärzte

Grund genug für das Robert Koch-Institut (RKI), auch deutsche Ärzt:innen im Hinblick auf die vermehrten Affenpocken-Fälle in Großbritannien aufmerksam zu machen. In einem vom RKI veröffentlichten Beitrag heißt es, dass „bei unklaren pockenähnlichen Hautveränderungen“ auch Affenpocken als mögliche Ursache in Betracht gezogen werden sollen – auch wenn die Betroffenen nicht in bestimmte Gebiete gereist waren.

WHO rät zur Kontaktnachverfolgung

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ruft indes zu einer intensiven Kontaktnachverfolgung auf. Bestünde ein Verdacht auf Affenpocken, müsse der Erkrankte umgehend isoliert werden.

Affenpocken: Was ist das überhaupt?

Bei den Affenpocken handelt es sich um eine Viruserkrankung, die bisher nur vom Tier auf den Menschen übertragen wurde. Wenn dies der Fall ist, sprechen Expert:innen von einer sogenannten Zoonose. Die Infektion erfolgte bisher in der Regel durch das Essen von sogenanntem „Bushmeat“ (Fleisch von afrikanischen Wildtieren) oder aber durch sehr engen Kontakt mit Primaten, Nagern oder afrikanischen Wildhörnchen. In der Regel kommen Affenpockenviren vor allen bei Nagetieren in West- und Zentralafrika vor.

Affenpocken-Übertragung von Mensch zu Mensch möglich

Wahrscheinlich infizieren sich die meisten Menschen mit den Affenpocken, wenn sie mit Nagern oder Kleinaffen spielen, erklärte das Robert Koch-Institut noch vor wenigen Tagen. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch wurde nun jedoch erstmals beobachtet. In diesem Fall erfolgt eine Übertragung des Erregers wohl über eine Schmier- oder Tröpfcheninfektion. Zudem sei auch eine sexuelle Übertragung der Pockenviren möglich, so das Robert Koch-Institut.

Der Affenpocken-Erreger selbst wurde erstmals 1958 in einem dänischen Labor bei Affen nachgewiesen. So entstand auch der Name „Affenpocken“. Affen selbst gelten jedoch als sogenannte „Fehlwirte“. Das heißt, sie werden zwar vom Virus befallen, in ihm kann sich das Virus jedoch nicht weiterentwickeln.

Symptome und Auswirkungen der Affenpocken

Bilder von Hautläsionen bei Affenpocken
Die amerikanische Behörde UKHSA stellt Bilder von Affenpocken zur Erkennung zur Verfügung Foto: UK Health Security Agency

Die Symptome einer Erkrankung mit den Affenpockenviren unterscheiden sich in der Regel nicht sonderlich von einer normalen Pockenerkrankung (Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, Hautausschlag). Jedoch gilt die Variante der Affenpocken als weniger tödlich und weniger infektiös. Die Sterblichkeitsrate (Letalität) liegt bei etwa zwei Prozent. Die UK Health Security Agency (UKHSA) warnt zudem vor folgenden Begleitsymptomen:

  • Fieber

  • Kopfschmerzen

  • Geschwollene Lymphknoten

  • Schüttelfrost

  • Erschöpfung

Affenpocken gibt es schon lange

Das RKI datiert den ersten Fall der Affenpockenkrankheit auf das Jahr 1970. In der Demokratischen Republik Kongo erkrankte ein neunjähriger Junge an den Affenpocken. Später wurden Fälle auch in Kamerun, Nigeria, der Elfenbeinküste, Liberia, Gabun, Südsudan und Sierra Leone gemeldet.

Die USA meldete den ersten Fall von Affenpocken im Jahr 2003, als das Virus durch Nagetiere aus Ghana in die USA gebracht wurde und dort auf Präriehunde übersprang und Tierhändler:innen und Besitzer:innen infizierte.

Aber auch in England wurde in der Vergangenheit das Affenpockenvirus schon einmal gemeldet. So wurde Anfang September 2018 und 2021 schon einmal das Affenpockenvirus in Großbritannien bei zwei Personen nachgewiesen, die aus Nigeria einreisten.

Ausbreitung der Affenpocken: Hat das Virus Pandemie-Potenzial?

Zoonosen, also Übertragungen von Krankheitserregern von Tier zu Mensch, lösen seit der Corona-Pandemie bei vielen Ängste vor einer weiteren Pandemie aus. Bisher ging man nicht davon aus, dass das Virus Potenzial für eine Pandemie oder Endemie hat, da eine Übertragung von Mensch zu Mensch ziemlich selten ist. Nachdem nun jedoch bereits mehrere Fälle gemeldet wurden, sind WHO und RKI zumindest sensibilisiert. Zwar gebe es im Falle von Affenpocken noch keine spezielle Impfung, da die Pocken im Allgemeinen jedoch als ausgerottet gelten und hier auch die allgemeine Impfung gegen Pocken Immunität bietet, ist ein Großteil der Bevölkerung vermutlich immun gegen das Virus. Zudem gelten die Krankheitsverläufe von Affenpocken in der Regel als mild.

Die Häufung der Erkrankungsfälle von Affenpocken ist also kein Grund zur Besorgnis. Sie deutet jedoch auf eine veränderte Mensch-zu-Mensch-Übertragbarkeit hin, erklärt Leif Sander, Leiter der Klinik für Infektiologie an der Berliner Charité. Der Ausbruch der Affenpocken zeige aber, wie „sehr Infektionskrankheiten in einer globalisierten Welt eine ständige Gefahr darstellen, auf die wir uns besser vorbereiten müssen.“