ADHS und Koffein: Macht Kaffee bei ADHS müde oder wach?

Der perfekte Start in den Tag beginnt für viele mit einer Tasse Kaffee. Wer allerdings bei ADHS Koffein zu sich nimmt, sollte um die paradoxe Reaktion und die Nachteile des Koffeinkonsums wissen.

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Koffeinhaltige Getränke gehören für viele Menschen zur Morgenroutine dazu. Auch zwischendurch auf der Arbeit oder abends beim Feiern verhelfen Kaffee oder Energy Drinks zum nötigen Energiekick, um die Müdigkeit schnell zu vertreiben. Doch gilt dasselbe auch für Menschen, die von ADHS und ADS betroffen sind? Was Sie über den Zusammenhang von ADHS und Koffein wissen sollten.

Frau trinkt einen Becher Kaffee
Koffeinhaltiger Kaffee könnte bei Menschen mit ADHS den gegenteiligen Effekt auslösen Foto: iStock/PeopleImages
Wie wirkt Koffein und wo ist es enthalten?

Koffein (Coffein) ist eine chemische Verbindung (Purinalkoloid) und kommt als natürlicher Bestandteil in verschiedenen Pflanzenblättern, Früchten und Samen vor. Es zählt zu den psychotropen bzw. psychoaktiven Substanzen aufgrund seiner anregenden Wirkung – Hormone wie Dopamin, Serotonin und Endorphin werden freigesetzt: Koffein macht wacher, steigert die Konzentration, die Leistung, den Antrieb und hebt die Stimmung. Bei höherer Dosis (ab 1.000 Milligramm) kommt es zum gegenteiligen Effekt – Ängste, innere Unruhe, Nervosität und Schlaflosigkeit können auftreten oder sich verstärken.

Koffein ist nicht nur in Kaffee, Cola und Energy Drinks enthalten. Auch in grünem und schwarzem Tee, Mate, Guarana sowie in Schokolade (vor allem in dunkler) kommt die stimulierende Substanz vor.

Koffein macht müde bei ADS: Paradoxe Reaktion ist möglich

Einige Menschen mit ADS und ADHS berichten davon, dass Kaffee und Cola bei ihnen die gegenteilige Wirkung habe: Sie sind unter Koffeineinfluss nicht wachsamer und leistungsfähiger, sondern werden ruhiger und müde. Allerdings lässt sich nicht vorhersagen, bei wem Koffein diesen beruhigenden Effekt hat und bei wem nicht – dazu braucht es noch mehr Forschung.

Mögliche Nachteile von Koffein bei ADHS

Darüber hinaus kann es passieren, dass sich ADHS-Symptome wie impulsives und hyperaktives Verhalten durch koffeinhaltige Getränke verstärken und verschlimmern. Auch Schlafstörungen können zunehmen. In diesen Fällen kommt es in der Regel nicht zur paradoxen bzw. beruhigenden Wirkung.

Einen weiteren Nachteil hat Koffein – nicht nur bei ADHS: Wer anfängt, täglich Koffein zu konsumieren, entwickelt bereits nach ein bis zwei Wochen eine Toleranz. Das bedeutet, dass der Körper immer mehr von der Substanz benötigt, damit eine Wirkung zu spüren ist. Doch zu viel Kaffee und andere koffeinhaltige Getränke reizt nicht nur die Magenschleimhaut, sondern verstärkt meist die innere Unruhe, die ADHS-Betroffene sowieso täglich begleitet.

Koffein bei ADHS und ADS: Neuer Behandlungsansatz?

ADHS-Patient:innen erhalten zur Behandlung oft Stimulanzien, zu denen beispielsweise Methylphenidat (Ritalin) zählt. Der Grund: Dieser Wirkstoff sorgt im Gehirn dafür, dass die Dopamin-Wiederaufnahme blockiert wird, sodass sich der Dopaminspiegel erhöht – denn bei ADHS ist dieser Spiegel zu niedrig, was unter anderem zu Konzentrationsstörungen führt.

Stimulierende Arzneimittel sorgen daher dafür, die Konzentration zu steigern und ruhiger zu werden – ein Effekt, den Koffein ebenfalls mit sich bringen könnte. Aus diesem Grund wird derzeit in der Wissenschaft diskutiert, ob Koffein in der ADHS-Behandlung eingesetzt werden könnte, allerdings ist die Studienlage dazu noch nicht aussagekräftig.

Eine Übersichtsarbeit, die 2022 im wissenschaftlichen Magazin „Nutriens“ veröffentlicht wurde, beschäftigte sich mit Studien, in denen die Wirkung von Koffein im Zusammenhang mit ADHS in Tiermodellen untersucht wurde. Die Ergebnisse legen nahe, dass Koffein insbesondere bei Konzentrationsschwierigkeiten, Aufmerksamkeits- sowie Lerndefiziten helfen könnte – insbesondere bei ADS, bei dem das Merkmal der Hyperaktivität fehlt. Dagegen zeichnet sich in der wissenschaftlichen Arbeit ab, dass die Hyperaktivität bei ADHS durch Koffein eher nicht abnimmt.

Der Haken bei dieser neuesten Untersuchung ist allerdings, dass die therapeutische Wirkung von Koffein nur an Tieren erprobt wurde – ob Menschen mit ADHS tatsächlich davon profitieren, muss erst noch weiter untersucht werden. Da gängige Stimulanzien wie Methylphenidat von einigen Menschen weniger gut vertragen werden, suchen Wissenschaftlicher:innen nach neuen Möglichkeiten, ADHS-Patient:innen zu behandeln.

Führt Koffein in der Schwangerschaft zu ADHS-Kindern?

Der Frage, ob Kaffee in der Schwangerschaft zu einer späteren ADHS bei Kindern führt, gingen brasilianische Wissenschaftlicher:innen nach, die dazu eine Kohortenstudie in 2016 veröffentlicht haben. Die Forschenden berücksichtigten alle Kinder, die 2004 in der Stadt Pelotas geboren wurden.

Zunächst wurden die Mütter vor der Geburt über ihren Kaffee-Konsum während der Schwangerschaft befragt. Elf Jahre später untersuchten die Wissenschaftler:innen die Kinder auf eine mögliche ADHS. Das Ergebnis: Von den knapp 3.500 Kindern wurde bei 4,1 Prozent der Jungen und 2,3 Prozent der Mädchen ADHS diagnostiziert – allerdings stellte sich heraus, dass ADHS und Koffein hier in keinem Zusammenhang stehen.

Quellen:

Vázquez, J. C., Martin de la Torre, O., López Palomé, J., & Redolar-Ripoll, D. (2022). Effects of caffeine consumption on Attention Deficit Hyperactivity Disorder (ADHD) treatment: A systematic review of animal studies. Nutrients, 14(4), 739.

Del-Ponte, B., Santos, I. S., Tovo-Rodrigues, L., Anselmi, L., Munhoz, T. N., & Matijasevich, A. (2016). Caffeine consumption during pregnancy and ADHD at the age of 11 years: a birth cohort study. BMJ open, 6(12), e012749.