ADHS und Depression treten häufig zusammen auf – das ist der Grund
Viele Menschen mit ADHS leiden an einer Depression – zwei Erkrankungen, die jede für sich schon eine Herausforderung ist. Doch nicht nur das gemeinsame Auftreten von ADHS und Depression macht Betroffenen zu schaffen. Bei Erwachsenen kann es vorkommen, dass eine Depression diagnostiziert wird, obwohl ADHS für die Beschwerden verantwortlich ist. Wie der Zusammenhang zwischen ADHS und Depression ist.
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- Unbehandelte ADHS/ADS kann zu Depression bei Erwachsenen führen
- Warum treten ADHS/ADS und Depression oft zusammen auf? Die Hintergründe
- Habe ich ADHS oder Depression? Symptome überschneiden sich teilweise
- Depression und ADHS behandeln: An wen kann ich mich wenden?
- Wie wird Depression als ADHS-Folge behandelt?
- ADHS und Depression bei Erwachsenen: 6 Tipps zur Selbsthilfe
Die Stimmung ist ständig gedrückt, der Schlaf ist schlecht und die negative Grübelspirale hört nicht auf – wer an einer Depression erkrankt ist, kennt diese Beschwerden. Bisweilen fühlt es sich so an, als wenn man nicht mehr Teil dieser Welt ist und sein Leben nicht mehr selbstbestimmt leben kann. Dies sind Gefühle und Gedanken, die auch bei der Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) auftauchen können. Depression und ADHS sind zwei Erkrankungen, die nicht nur Überschneidungen haben, sondern vor allem auch zusammen auftreten können – ein Umstand, der Betroffene gleich doppelt im Alltag herausfordern kann. Warum das so ist und was dann hilft.

Unbehandelte ADHS/ADS kann zu Depression bei Erwachsenen führen
Mit dem „Struwwelpeter“ und „Hans Guck-in-die-Luft“ beschrieb der Psychiater Heinrich Hoffmann 1845 die beiden Phänomen ADHS und ADS sehr eindrücklich. Allerdings galt hyperaktives oder verträumtes Verhalten zu dieser Zeit noch nicht als Erkrankung, sondern eher als unartiges Verhalten, das es zu züchtigen galt.
Seitdem hat sich viel in der Erforschung dieser Verhaltensauffälligkeit getan – zum Glück der Betroffenen. Es brauchte allerdings lange, bis die Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) als solche medizinisch definiert und als neurologische Störung anerkannt wurde. Vor 35 Jahren (1987) fand ADHS erstmals Erwähnung im Diagnosehandbuch DSM der amerikanischen psychiatrischen Gesellschaft. Das Problem war nur: Die Diagnose wurde nur bei Kindern gestellt. Man ging davon aus, dass sich die Störung irgendwann „ausgewachsen“ hat. Erwachsene erhielten oft eine andere Diagnose, darunter Depression, Borderline, Angststörung oder bipolare Störung – wohl auch deshalb, weil sich ADHS bei Erwachsenen etwas anders zeigt als bei Kindern und Jugendlichen. Bei Erwachsenen stehen eher Angespanntheit und innere Unruhe im Vordergrund – wenn das Merkmal der Hyperaktivität fehlt, wird dies als ADS bezeichnet.
Die gute Nachricht ist aber: Dass auch Erwachsene ADHS haben können, ist mittlerweile seit einigen Jahren anerkannt. Wenn die Störung erst im Erwachsenenalter diagnostiziert wird, bedeutet das allerdings nicht, dass ADHS erst dann aufgetreten ist. Denn die Störung entwickelt sich bereits im frühen Kindesalter. Wer daher erst als Erwachsener herausfindet, dass er oder sie unter ADHS leidet, hat bereits lange Jahre unentdeckt und somit unbehandelt mit dieser Störung gelebt und meist einen langen Leidensweg hinter sich.
Eine unbehandelte ADHS ist in vielen Fällen der Grund, weshalb Betroffene eine psychische Begleiterkrankung (Komorbidität) entwickeln – die Zahlen sind hoch: Schätzungsweise 60 bis 80 Prozent haben neben ADHS mit einer Depression, Angststörung, Persönlichkeitsstörung oder Sucht zu kämpfen. Auch ADHS und Borderline treten manchmal zusammen auf. Meist sind es erst diese Folgeerkrankungen, die Betroffene dazu veranlassen, sich in Behandlung zu begeben. Im Zuge dieser Behandlung stellt sich dann erst heraus, dass eine Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) vorliegt.
Warum treten ADHS/ADS und Depression oft zusammen auf? Die Hintergründe
ADHS- und ADS-Betroffene haben oft Schwierigkeiten damit, wenn sich Veränderungen in ihrem Leben anbahnen. Das kann das Privatleben betreffen, wenn zum Beispiel der Partner oder die Partnerin nicht mehr im gewohnten Maße den Tagesablauf mitstrukturiert, oder bei der Arbeit, wenn der Vorgesetzte wechselt oder die Arbeit selbst umstrukturiert wird.
Der Wille mag zwar da sein, sich an diese neuen Begebenheiten anzupassen, allerdings fällt genau das vielen Menschen mit ADHS sehr schwer. Ohnehin versuchen sie ständig, im Alltag zu „funktionieren“ und nicht anzuecken – sei es wegen ihrer Vergesslichkeit von Aufgaben oder der Schwierigkeit, sich längere Zeit auf eine Sache zu konzentrieren. All das kostet sehr viel Energie, die vor allem bei ungeplanten Veränderungen über ihr Limit gehen kann. In der Folge fühlen sich Betroffene zunehmend erschöpft und kraftlos.
Dass Kolleg:innen oder die Familie diese Energielosigkeit nicht bemerken sollen, kostet wiederum sehr viel Kraft – ein Teufelskreis kann hier beginnen. Die positiven Eigenschaften von ADHS-Betroffenen rücken dann allmählich in den Hintergrund, weil keine Kraft mehr da ist, um kreativ, spontan, emphatisch und hilfsbereit zu sein – Stärken, die sie als wertvolles Familien- und Teammitglied auszeichnen.
Die zunehmende Erschöpfung führt dazu, dass Betroffene immer größere Schwierigkeiten haben, ihren Aufgaben nachzukommen. Vieles bleibt unerledigt, der Druck wächst und damit die Überforderung. Dies hat zur Folge, dass das Selbstwertgefühl geringer wird, Antriebslosigkeit hinzukommt und die gedrückte Stimmung immer mehr die Gefühlswelt dominiert – all das führt dazu, dass sich eine Depression neben der ADHS entwickelt.
Auch wenn das Risiko bei ADHS für andere psychische Erkrankungen hoch ist, heißt das nicht, dass alle ADHS-Betroffene eine solche Komorbidität haben. Denn eine ADHS kann auch ohne eine weitere psychische Erkrankung auftreten. Es kann auch vorkommen, dass Betroffene eine depressive Symptomatik zeigen, die aber auch bei ADHS vorkommt – oder umgekehrt. Daher ist es für Laien nicht immer einfach, das Verhalten richtig einzuordnen.
Habe ich ADHS oder Depression? Symptome überschneiden sich teilweise
Bei einer ADHS handelt es sich um eine neurologische Entwicklungsstörung, bei der Betroffene (vor allem Kinder) einen starken Bewegungsdrang haben, impulsiv sind und Aufmerksamkeitsschwierigkeiten haben. Depression hingegen ist eine psychische Erkrankung, bei der die Stimmungsstörung im Vordergrund steht. Eine gedrückte Stimmung, Freudlosigkeit und Antriebsverlust sind Hauptsymptome einer depressiven Erkrankung. Zudem kann sich eine Depression bereits im Kindesalter entwickeln, muss es aber nicht – im Gegensatz zu ADHS.
Doch wie kann ich erkennen, welche meiner Symptome von der ADHS herrühren und welche von der Depression? Das ist gar nicht so einfach, weil sich einige Symptome überschneiden.
Diese Symptome ähneln sich bei ADHS und Depression:
Reizbarkeit und Hyperaktivität (bei Kindern)
Konzentrationsschwierigkeiten
Planungs- und Strukturierungsschwierigkeiten, zum Beispiel bei der Arbeit oder in der Schule
Stimmungsschwankungen
Emotionale Empfindlichkeit
Körperliche und psychische Erschöpfung
Desinteresse
Vergesslichkeit
Gefühl der Überforderung
Verminderte Leistungsfähigkeit
Geringes Selbstwertgefühl
Suchtprobleme (als Folge)
Die genannten Symptome können sowohl bei ADHS als auch bei Depression auftreten – das trifft aber nicht auf jede:n Betroffene:n zu. Hinzu kommt, dass die Stimmung bei ADHS schnell von Niedergeschlagenheit zu einem Hochgefühl wechseln kann. Entwickelt sich bei Betroffenen eine depressive Erkrankung, so hält die Niedergeschlagenheit über mehrere Wochen lang an.
Depression und ADHS behandeln: An wen kann ich mich wenden?
ADHS und Depression – wer von beidem betroffen ist, sollte wissen, dass sowohl die depressive Symptomatik als auch ADHS gut behandelbar ist. Wichtig ist, sich Hilfe zu suchen, um die Beschwerden richtig einordnen zu lassen und einen Weg zu finden, aus der Depression herauszukommen. Denn ohne Behandlung kann der Leidensdruck immer größer werden. Als schlimmste Folge kann es zum Suizid kommen.
Erste Anlaufstelle ist die Hausarztpraxis. Wenn Sie bereits in psychiatrischer/neurologischer Behandlung sind, können Sie sich auch an Ihre:n behandelnde:n Ärzt:in wenden. Weitere Ansprechpartner:innen sind Psychotherapeut:innen, die letztlich auch in Form einer Psychotherapie eine Depression behandeln können.
Wenn Erwachsene die Diagnose „ADHS“ bekommen, fühlen sich viele enorm erleichtert. Endlich haben sie eine Erklärung dafür, warum sie so besonders sind und Schwierigkeiten haben, die andere nicht zu haben scheinen – die Basis für einen Neuanfang ist somit geschaffen und sie können mehr und mehr lernen, ihre Symptomatik besser in den Griff zu bekommen. Das könnte auch dazu beitragen, eine Depression gar nicht erst zu entwickeln.
Falls auch Sie den Verdacht haben, ADHS zu haben, sollten Sie daher eine:n Ärzt:in aufzusuchen, um herauszufinden, ob die Probleme in Ihrem Leben vielleicht daher rühren.
Wie wird Depression als ADHS-Folge behandelt?
Die Therapie der beiden Erkrankungen findet in der Regel parallel statt. Das sind drei wichtige Bausteine, um Depression und ADHS gemeinsam zu behandeln:
Psychoedukation: Was ist ADHS? Was passiert bei ADHS im Körper? Warum begünstigt ADHS eine Depression? Welche Behandlungsoptionen gibt es? Welche Alltagstricks helfen dabei, sich besser zu organisieren? Welche Aktivitäten tun mir gut? All das sind Fragen, die im Arzt- oder Psychotherapeut-Patienten-Gespräch beantwortet werden, sodass Betroffene sich selbst viel Wissen über Ihre Erkrankungen und die Bewältigungsstrategien aneignen können.
Medikamente: Wirkstoffe wie Methylphenidat, Lisdexamfetamin oder Atomoxetin können die ADHS-Symptomatik verbessern. Aufgrund der gedrückten Stimmung und Antriebslosigkeit im Zuge der Depression können Antidepressiva helfen.
Psychotherapie: Sowohl in der Behandlung einer Depression als auch von ADHS spielt die Psychotherapie eine große Rolle, insbesondere die kognitive Verhaltenstherapie. Hier kann besprochen werden, was Sie belastet, welche Konflikte Sie haben und wie Sie besser damit umgehen können. Letztlich dient die Therapie dazu, das Selbstvertrauen wieder zu erlangen.
ADHS und Depression bei Erwachsenen: 6 Tipps zur Selbsthilfe
Neben der medizinisch-psychotherapeutischen Behandlung gibt es eine Reihe von Selbsthilfemaßnahmen, die Ihnen dabei helfen, das Selbstwertgefühl zu stärken.
Diese Tipps können Sie dabei unterstützen:
Schärfen Sie den Blick für Ihre Stärken: Sie vergessen häufig Termine – dafür finden Sie aber schnell Lösungen für komplexe Probleme? Oder Sie können sich schlecht konzentrieren, sind dafür aber sehr kreativ? Wie Sie sehen, bringt ADHS viele positive Eigenschaften mit sich, auf die Sie sich fokussieren können – statt darauf zu schauen, was vielleicht nicht so gut läuft.
Ordnen Sie Ihr Kopf-Chaos: Das Gedankenkarussell nimmt kein Ende? Dann ist es Zeit dafür, endlich durchzuatmen, um die Gedanken und Gefühle zu sortieren. Hilfreich sind dabei Achtsamkeitstechniken, zum Beispiel Atemübungen gegen Stress wie die 4-7-8-Atmung. Auch Gehmeditationen können den Geist beruhigen. Insbesondere das MBSR-Programm „Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion“ nach Jon Kabat Zinn ist empfehlenswert. Autogenes Training kann hingegen bewirken, dass Sie sich noch unruhiger fühlen.
Seien Sie stolz auf sich: Sie haben schon so viele Hürden und Herausforderungen im Leben gemeistert – daher gilt es, öfters mal innezuhalten und sich vor Augen zu führen, welche Berge Sie bereits erklommen haben. Und wenn Sie sich die nächsten Ziele setzen, gehen Sie dabei realistisch und in kleinen Schritten vor, um Frust zu vermeiden.
Gestalten Sie aktiv Ihren Arbeitsplatz nach Ihren Bedürfnissen: Routineaufgaben sind nichts für Sie? Sie arbeiten lieber an größeren und komplexen Themen? Dann sprechen Sie darüber im Kolleg:innenkreis oder mit Ihrer Führungskraft, ob Sie die Aufgabenteilung anders gestalten können. Zudem hilft es vielen Menschen mit ADHS, wenn Sie einen „Strukturhelfer“ am Arbeitsplatz haben, der Sie freundlich darauf aufmerksam macht, wenn Sie mal den Überblick verlieren – Struktur ist bei ADHS wichtig, damit das Chaos im Alltag und im Kopf besser gehändelt werden kann.
Bewegen Sie sich mehr: Bewegung hilft sowohl bei ADHS als auch bei Depression, um sich einen Ausgleich zu schaffen und die innere Unruhe zu mildern – das zeigen Studien. Helfen können Ausdauersportarten wie Schwimmen, Radfahren und Joggen sowie Kraftsport. Expert:innen empfehlen bei ADHS, Sport an drei bis vier Tagen für etwa 30 bis 40 Minuten auszuüben.
Sprechen Sie mit Familie und Freund:innen: Mit engen Vertrauten über die Diagnosen ADHS und Depression zu reden, kann bereits sehr erleichternd sein. Zudem hilft es anderen, Sie besser zu verstehen und Konflikte vorzubeugen, zum Beispiel wenn der andere nicht versteht, warum Sie das Zimmer nicht zu Ende aufgeräumt haben. In einem Gespräch, zum Beispiel mit Ihrem Partner bzw. Ihrer Partnerin können Sie auch um Hilfe bitten, die anfallenden Aufgaben zu Hause besser zu strukturieren.
Zudem kann es helfen, sich bei ADHS und Depression mit anderen Betroffenen auszutauschen – der ADHS Deutschland e.V. bietet dazu eine Liste mit über 200 Selbsthilfegruppen.
Wenn Sie sich ständig erschöpft und traurig fühlen oder unter Schlafproblemen leiden, kann dies auf eine Depression hindeuten. Spätestens nach zwei Wochen Niedergeschlagenheit ist es wichtig, sich professionelle Hilfe zu suchen. Auf der Website der Deutschen Depressionshilfe finden Sie verschiedene Anlaufstellen. Dort sind auch Adressen für Notfälle gelistet. Bei konkreten Suizidgedanken ist es wichtig, die nächstgelegene Klinik mit psychiatrischer Notaufnahme aufzusuchen.
Bei akuten Sorgen oder Ängsten können Sie jederzeit anonym die Telefonseelsorge unter den Telefonnummern 0800/111 0 111 oder 116 123 anrufen.
Wenn Sie nicht selbst betroffen sind, aber depressive Symptome bei anderen bemerken, erhalten Sie auf der Website der Deutschen Depressionshilfe konkrete Handlungsempfehlungen. Besteht eine konkrete Suizidgefahr ist es wichtig, sofort den Rettungsdienst unter 112 oder die Polizei zu verständigen.
Quellen:
Patienteninformation zu „ADHS und Depression“, in: adhs-ratgeber.de
ADHS, in: gesundheitsinformation.de
ADHS und Depression, Zwang, Somatisierungsstörungen, in: adhs-deutschland.de
ADHS Aktuell (Ausgabe 63), in: Schweizerische Fachgesellschaft ADHS
Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) des Erwachsenenalters – Diagnosekriterien entsprechend DSM-IV und ICD-10, in: Zentrum für Seelische Gesundheit Mannheim