ADHS bei Erwachsenen: Partnerschaft und Sexualität als Herausforderung

Bei ADHS bei Erwachsenen können Partnerschaft und Sexualität mit für die Störung spezifischen Schwierigkeiten einhergehen. Insbesondere zwei Probleme treten in Beziehungen von ADHS-Betroffenen immer wieder auf.

JW Video Platzhalter
Zustimmen & weiterlesen
Um diese Story zu erzählen, hat unsere Redaktion ein Video ausgewählt, das an dieser Stelle den Artikel ergänzt.

Für das Abspielen des Videos nutzen wir den JW Player der Firma Longtail Ad Solutions, Inc.. Weitere Informationen zum JW Player findest Du in unserer Datenschutzerklärung.

Bevor wir das Video anzeigen, benötigen wir Deine Einwilligung. Die Einwilligung kannst Du jederzeit widerrufen, z.B. in unserem Datenschutzmanager.

Weitere Informationen dazu in unserer Datenschutzerklärung.

ADHS bei Erwachsenen wirkt sich oft auch auf Partnerschaft und Sexualität aus. Besonders häufig sind es zwei bestimmte Probleme, die ADHS-Betroffenen und ihren Partner:innen zu schaffen machen.

Ein Paar sitzt nach einem Streit auf dem Sofa
Partnerschaften, bei denen ein:e Partner:in von ADHS betroffen ist, sind häufig konfliktbehaftet – auch die Sexualität kann zu einem Problemthema werden Foto: iStock/fizkes

ADHS bei Erwachsenen: Partnerschaft und Sexualität

Die folgenden Probleme werden von ADHS-Betroffenen besonders häufig genannt, wenn es um Partnerschaften und Sexualität geht:

1. Äußere Reize lenken ab

Menschen mit ADHS sind sehr reizoffen und ihr Gehirn ist weniger gut in der Lage als die Gehirne von „neurotypischen“ Menschen, wichtige von unwichtigen Informationen zu trennen. So kommt es zu den Konzentrationsstörungen und der leichten Ablenkbarkeit, die zu den Hauptsymptomen von ADHS gehören. Betroffenen fällt es darum schwer, sich beim Sex ganz auf den Partner oder die Partnerin zu konzentrieren – sie nehmen außer den körperlichen Berührungen auch (und unter Umständen mit derselben Intensität) laufende Musik, den Stoff des Lakens, Gerüche und Geräusche von draußen sowie auffällige Gegenstände im Raum wahr. Dazu kommt die ständige Ablenkung durch ihre eigenen Gedanken; all das kann die Konzentration auf den Sex zur großen Herausforderung machen. Betroffene reißen sich teils mit großer Anstrengung zusammen um „bei der Sache zu bleiben“ – dadurch geht dem Liebesakt verständlicherweise etwas von seiner Leichtigkeit und Unbekümmertheit verloren – dieser Umstand kann bei Menschen mit ADHS zu sexueller Unlust und bei ihren Partner:innen zur Frustration führen.

2. Routinen verderben die Lust auf Sex

Monotonie und routinierte Tätigkeiten sind für Menschen mit ADHS ohnehin ein Graus – beim Sex können routinierte, „eingespielte“ Abläufe zwischen Partner:innen schnell dazu führen, dass der oder die ADHS-Betroffene das Interesse am Sex (mit dem jeweiligen Gegenüber) verliert.

ADHS und Sexualität: Haben Betroffene eine „gesteigerte Sexualität“?

Immer wieder ist von einer sogenannten Hypersexualität in Verbindung mit ADHS zu lesen – sie beschreibt ein übersteigertes sexuelles Verlangen. Da Sex das Belohnungszentrum im Gehirn aktiviert, sollen Menschen mit ADHS die sexuellen Kontakte demnach als Entspannungsmittel oder „Selbstmedikation“ einsetzen. Aufgrund ihrer Impulsivität und allgemein höheren Risikobereitschaft sollen sie auch stärker zu sexuell riskantem Verhalten neigen als Menschen ohne die Störung.

Tatsächlich haben ADHS-Betroffene vor allem als Jugendliche und junge Erwachsene ein höheres Risiko, sich mit sexuell übertragbaren Krankheiten zu infizieren. Allerdings weisen Studien darauf hin, dass dieses Risiko sich im mittleren Erwachsenenalter dem von Menschen ohne ADHS angleicht. Zusätzlich sinkt es auf ein „normales“ Niveau, wenn Betroffene Medikamente gegen ihre ADHS einnehmen.

ADHS und Sexualität bei Männern: Öfter hypersexuell

Das vermehrte Auftreten von hypersexuellem Verhalten lässt sich in Studien auch noch nach dem Jugendalter nachweisen; beispielsweise in einer Befragung von Personen mit und ohne ADHS der Uniklinik Mainz. Dort erzielten Männer und Frauen mit ADHS im Schnitt eine höhere Punktzahl auf der Diagnoseskala zur Hypersexualität.

Eine so hohe Punktzahl, dass die Diagnose gestellt werden würde, erreichten sie aber nicht signifikant häufiger als Menschen ohne ADHS. Dies war allerdings bei Männern mit ADHS deutlich häufiger der Fall als bei weiblichen ADHS-Betroffenen. Männer mit ADHS nutzten laut der Erhebung Sex auch häufiger als Coping-Strategie bei negativen Emotionen oder bei Kontrollverlust.

ADHS-Frauen und Sexualität: Ablenkbarkeit ein größeres Problem?

Ablenkbarkeit durch äußere Reize dürfte bei ADS bei Erwachsenen zu den größten Problemen bei Partnerschaft und Sexualität gehören; Hypersexualität und schnelle Langeweile spielen hier womöglich eine untergeordnete Rolle. Bei dieser Variante der Störung sind die Symptome Hyperaktivität und Impulsivität geringer ausgeprägt oder fehlen ganz – besonders häufig ist das bei betroffenen Frauen und Mädchen der Fall.

Möglicherweise ist das der Grund, warum Behandelnde häufig davon sprechen, dass das Thema Ablenkbarkeit beim Sex für mehr Frauen mit ADHS das Hauptproblem darstellt als für betroffene Männer. In der Forschungsliteratur ist dazu nichts zu finden; allerdings geben betroffene Frauen die Ablenkbarkeit durch äußere Reize in Befragungen durchaus als Problem an.

Was auch immer das Hauptproblem für Erwachsene mit ADHS in Bezug auf Partnerschaft und Sexualität ist – sie sollten es mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin thematisieren; in vielen Fällen können auch Medikamente helfen, die Probleme zu verringern oder ganz zu lösen.

Quellen:

Hertz, Priscilla Gregório, et al. (2022): Sexuality in adults with ADHD: results of an online survey, in: Frontiers in psychiatry

Chen, Mu-Hong, et al. (2018): Sexually transmitted infection among adolescents and young adults with attention-deficit/hyperactivity disorder: a nationwide longitudinal study, in: Journal of the American Academy of Child & Adolescent Psychiatry

Wallin, Karin, et al. (2022): Self-experienced sexual and reproductive health in young women with Attention Deficit Hyperactivity Disorder: A qualitative interview study, in: BMC Women's Health